Partizipativ Ensemble 1.0

ACHTUNG! Hierbei handelt es sich um eine Vorgängerversion des Partizipativ Ensemble Modells, die sich in Teilen in der Praxis nicht vollständig bewährte und daher überarbeitet wurde. Hier geht es zur aktuellen Version…

I – Theorie: PartizipativEnsemble

Um Partizipation nicht nur als ergänzendes und lediglich dann und wann auftretendes Element in der Jugendensemblearbeit aufzugreifen, sondern fest in die grundlegenden Strukturen zu integrieren bestehen folgende Grundsätze als Fundament für die Organisation partizipativer Jugendorchester:

  • Grundsatz I: Teamoffenheit Mit dem Ziel sämtliche elitären Assoziationen der Jugendorchesterinstitution aufzulösen und den Bildungsraum Orchester als Begegnungsraum vielschichtiger Personenzielgruppen zu ermöglichen, öffnet sich das PartizipativEnsemble einer breiteren Bezugsgruppe als es bei herkömmlichen Jugendensemblen der Fall ist.
    Auf alterstechnischer Ebene versteht sich das PartizipativEnsemble als Vermittlungsinstanz und Treffpunkt sämtlicher Altersstufen der frühen und späten Adoleszenz zugleich. Die Möglichkeit an PartizipativEnsemblen teilzunehmen eröffnet sich also ab dem elften (je nach Fall auch ab dem zehnten) Lebensjahr und bleibt bis ins frühe Studentenalter bestehen (danach ist die Teilhabe an Projekten der Art nur noch indirekt oder im Team „Künstlerisch-Pädagogische Leitung“ (im Folgenden auch KPL [vgl. S.4]) möglich).

    Auf der zweiten Ebene ist das Auswahlkriterium des musikalischen Niveaus, das erwartet wird um an den Proben eines PartizipativEnsemble teilzunehmen, auf vergleichbare Weise weit gefasst. Voraussetzung um im PartizipativEnsemble zu spielen sind neben verinnerlichten Notenkenntnissen lediglich Fertigkeiten auf dem Instrument, die die Fähigkeiten richtiger Intonation einfacher und einfachster Stimmen in einem für das Instrument wesentlichen Tonraum gewährleisten, sowie erste Berührungen mit den verschiedenen Artikulationen und Dynamiken, die auf dem entsprechenden Instrument zum Standartrepertoire gehören. Damit beginnt das musikalische Niveau auf der Höhe herkömmlicher Mittelstufenorchesterprojekte allgemeinbildender Schulen (Als Referenz gelten hier Orchesterprojekte, wie sie z.B. an der Waldorfschulen in Dortmund vorzufinden sind.). Nach oben hin ist dem musikalischen Niveau der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen dagegen bis in die Profiliga keine Grenzen gesetzt.
    Diese Spannweite wird dadurch ermöglicht, dass sämtliche Partituren (einzelne Ausnahmen natürlich nicht ausgeschlossen), die das Orchester spielt eigens von der KPL für die bestehende Besetzung arrangiert, jegliche Stimmen also individuell auf die SchülerInnen zugeschnitten werden.
  • Grundsatz II: Dezentrale / Demokratische Organisation Sämtliche Bereiche organisatorischer Art sind im PartizipativEnsemble dezentral organisiert.
    Zur Bewerkstelligung der Orchesterorganisation finden sich die SchülerInnen in verschiedenen „Gremien“ oder Teams, die sich jeweils auf verschiedene Bereiche rund um die Orchesterarbeit konzentrieren. Diese könnten z.B. sein:
    • Öffentlichkeitsarbeit:
      Das Team Öffentlichkeitsarbeit kümmert sich primär um die Außendarstellung des Orchesters (öffentlicher Auftritt des Ensembles [z.B. in sozialen Medien), Anwerben neuer Ensemblemitglieder, etc.) und erhält dazu sämtliche Kompetenzen in der Verwaltung und Gestaltung orchestereigener Kanäle auf „sozialen Internetseiten“, sowie die Befugnis das Projekt öffentlich in Medien o.ä. zu repräsentieren.
    • Equipment & Logistik
      Das Team Equipment & Logistik kümmert sich um Verwaltung, Instandhaltung, Anschaffung und Transport von Equipment.
    • FinanzverwaltungDie Finanzverwaltung kümmert sich um die Verwaltung des Orchesteretas (Einnahmen [Mitgliedsbeiträge, Auftrittsgagen, Fördermittel], Ausgaben [Anschaffungskosten, etc.])

      Den beiden Teams Finanzverwaltung und Equipment & Logistik steht dabei zusammen ein bestimmtes Jahresbudget zu Verfügung, das nach eigenem Ermessen (ohne Beschluss des Orchesters) im Sinne des Projektes verwendet werden darf.
    • Orchesterleitung / OrchestermoderationEine besondere Rolle kommt dem Team Orchesterleitung zu, das sich wiederum aus der Künstlerisch-Pädagogischen und der Organisatorischer Leitung zusammensetzt. Ihre Aufgabe liegt primär in der Vermittlung zwischen den Organisationsteams und der Kommunikation mit Kooperationspartnern und Veranstaltern.
      • Organisatorische Leitung Die Organisatorischen Leitung (OL) übernimmt die Moderation des Ensembles, in erster Linie bedeutet das Vermittlung zwischen den Organisationsteams, aber auch die Planung von Veranstaltungen und Kommunikation mit Veranstaltern und Kooperationspartnern fallen in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerisch-Pädagogischen Leitung in den Aufgabenbereich der Organisatorischen Leitung.
      • Künstlerisch-Pädagogische Leitung
        Die Künstlerische Leitung, bzw. Künstlerisch-Pädagogische Leitung (KPL) ist das demokratische, patizipativ-pädagogische Pendant zum klassischen Dirigenten. Sie vereinigt Aufgabenbereiche des Dirigats und der Instrumentalpädagogik,
        wie z.B. Anleitung von Orchesterproben, der Vor- und Aufbereitungvon Partituren (Komposition, Arrangement), Erarbeitung von Veranstaltungsprogrammen, Zusammenstellung des Repertoires, Mitmischung in organisatorische Aufgaben und die pädagogische Betreuung des Ensembles.
    Je nach Begebenheiten und Entwicklung des Projektes kann die Ergänzung um weitere Gremien/Teams sinnvoll sein.
  • Grundsatz III: Partizipative Künstlerische Gestaltung Um die Teilnehmenden Schülerinnen und Schüler neben der Organisation auch partizipativ in die künstlerischen Gestaltungsprozesse einzubinden arbeitet das PartizipativEnsemble mit drei verschiedenen Probentypen:
    • Probentyp I: Registerproben / Gruppenproben In diesen Proben teilt sich das Ensemble in mehrere parallel-probende Teilgruppen von 2 bis 6 Personen, die gemeinsam in Eigenverantwortung gesonderte Passagen aus den Gesamtensemblewerken oder Einzel-, Dou-, Trio- bis Sextettbeiträge proben. Dabei übernehmen die Gruppen in diesem Probentyp selbst die Regie ihrer Proben, lediglich Probenziele oder Fokus werden mit der Künstlerischen Leitung abgestimmt. Bei Bedarf können zwischen den Gruppen pendelnde Personen aus der Künstlerisch-Pädagogischen Leitung, während dieser Probenphase eine couchende Rolle einnehmen (Impulse setzen, Feedback geben, etc.), der Fokus dieser Proben liegt allerdings auf der Selbstgestaltung und dem Selbstmanagement der Gruppe und dient neben der Erarbeitung gesonderter Passagen oder Stimmen auch der gemeinsamen Interpretationsfindung der gespielten Werke. Diese gruppeninterne Interpretation beeinflusst somit wiederum die Interpretation des Gesamtensembles.
    • Probentyp II: Tuttiproben / Gesamtproben Die Gesamtproben ähneln im Wesentlichen klassischen Orchesterproben. Unter der Moderation der Künstlerisch-Pädagogischen Leitung werden hier Ergebnisse aus den Gruppenproben zusammengefügt und unter Berücksichtigung, der von den Gruppen entwickelten Interpretation ins Gesamte komplementiert. Der Aufbau einer Gesamtprobe folgt dabei i.d.R. den drei Ebenen des konventionellen Prinzip des Produktive Üben: Erhalten, Aufbauen, Reflektieren (Auftrittsimulation)1
    • Probentyp III: Sonderproben / Zusatzproben Diese Proben sind nur bedingt als eigener Probentyp zu verstehen, eher bilden sie eine Mischform aus den verschiedenen Elementen von Probentyp I und II.
      Die Sonderproben sind ein strukturell-integrierter „Puffer“, der die Möglichkeit freihält bei gesonderten Bedarf zusätzliche Proben einzuberufen, bei denen es frei steht inwiefern die Proben von einer Person (z.B. aus der künstlerischen Leitung) moderiert, bzw. „geleitet“ wird.
AnteilProbentyp
45 – 60 min.Register- /Gruppenproben
15 – 30 min.Probenpause
60 – 90 min.Tutti- / Gesamtproben
00 – 30 min.Sonderproben (nur bei Bedarf)
  • Grundsatz IV: Demokratische Entscheidungsfindung
    Während die einzelnen OrganisationTeams des PartizipativEnsemble grundsätzlich eigenverantwortlich agieren, und damit innerhalb eines gemeinsam gesetzten Rahmens über selbständige Entscheidungsgewalt verfügen, gilt für Entscheidungen von besonderer Relevanz für die Orchestergemeinschaft das Mehrheitsentscheidprinzip („Orchesterentscheid“). Für diese Orchesterentscheide kann u.A. auf den Zeitraum der Sonderproben zurückgegriffen werden. Komplexere Entscheidungen werden, insofern die Möglichkeit dazu besteht (z.B. im Rahmen einer Orchesterfreizeit), in einem Colloqium To Go2 abgehalten. Von dieser Regelung betroffen sind:
    • Beitritt / Entlassung von Ensemblemitgliedern
    • Zusagen / Absagen von Auftritten
    • Auswahl von 70% des Repertoires3
    • Größere Anschaffungen, die das Jahresbudget übersteigen
    • Grundlegende Veränderungen der Orchesterstrukturen (Orchesterbrief4)

ACHTUNG! Hierbei handelt es sich um eine vorgänger Version des Partizipativ Ensemble Modells, die sich in Teilen in der Praxis nicht vollständig bewährte und daher überarbeitet wurde. Hier geht es zur aktuellen Version…

1Prinzip nach:

Kraemer, Rudolf-Dieter / Rüdiger, Wolfgang (2013): Ensemblespiel und Klassenmusizieren, Augsburg, S. 217 ff.

2Colloquium To Go: Entscheidungsfindung (Diskurs, Vorträge, Austausch, Abstimmung) in Bewegung, d.h. während einer gemeinsamen, einfachen sportlichen Aktivität (z.B. Spaziergang, Wanderung, Frisbeeing).

3Bis zu 30% des Repertoires können aus pädagogischen, künstlerischen oder auftrittstechnischen Gründen ohne Orchesterbeschluss von der Künstlerischen Leitung veranlasst werden.

4Orchesterbrief: Dokument, in dem Vereinbarung über die Organisationsstruktur des Orchesters, Probenroutine und Anmeldedaten für wichtige Onlineplatformen, etc. festgehalten werden.